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Augustus Fridericus von Braunschweig-Lüneburg (HAB, PS A 2351)

Leichenpredigt auf Herzog August Friedrich

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Kurzbiographie

August Friedrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1657–1676) wurde als dritter Sohn des Herzogs Anton Ulrich (1633–1714) und dessen Frau Elisabeth Juliane, geb. Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Norburg (1634–1704), am 24. August 1657 geboren. Am Hof genoss er eine umfangreiche Ausbildung in den Grundlehren der Theologie und Politik sowie in Latein und Französisch. Um diese Fächer zu vertiefen, wurde er 1672 zum Studium nach Straßburg geschickt. Während dieser Zeit unternahm er auch die für männliche Adelige vorgesehene Kavalierstour, die ihn unter anderem an den Hof Ludwigs XIV. (1638–1715), nach Rom und zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation führte. Leopold I. (1640–1705), welcher ein „dermassen gutes und aventageuges concept von Seiner hoch=Fürstl. Durchl. Angebohrnen Generositet, Heldenmuth/und erweisenden hohen Verstande gefasset”, ernannte ihn 1675 während einer öffentlichen Audienz zum „Obristen des Gräflichen Sparrischen Regiments zu Fuß“. Noch im selben Jahr wurde August Friedrich mit der damals neunjährigen Sophia Dorothea (1666–1726), Tochter von Georg Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg-Celle (1624–1705), verlobt. Ein Jahr später kam der junge Herzog als Soldat im Zuge des Holländischen Krieges nach Speyer, wo die Festung Philippsburg belagert wurde. Am 9. August 1676 wurde er dort von einer Kugel in den Hinterkopf getroffen und erlag am 22. August seiner Verletzung.

Die Leichenpredigt

Die Leichenpredigt auf August Friedrich hielt Brandanus Daetrius am 6. Oktober 1676, dem Tag der Beisetzung des Herzogs in Wolfenbüttel. Es handelt sich um eine sehr ausführliche, mit zahlreichen Metaphern und Bildern arbeitende Predigt. Der Geistliche beginnt mit einer sehr persönlichen Zuschrift, die sich an die Eltern sowie an die Verlobte des Verstorbenen richtet. Darin versucht Daetrius den Angehörigen verständlich zu machen, dass eine höhere Macht entschieden habe, August Friedrich aus dem Leben zu nehmen, auch wenn sich die Familie gewünscht hätte, ihn als Helden und vielversprechenden Erbprinzen nach dem Militäreinsatz im Fürstentum begrüßen zu können. In der Vorrede vergleicht der Autor August Friedrich mit einer reifen Traube, die bereit gewesen sei, von der Rebe abgeschlagen zu werden. Der eigentliche Leichentext der Predigt bezieht sich zu einem Großteil auf das Kapitel 61, 10 im Buch des Propheten Jesaja (740–701 v. Chr.) und wird in drei Teilen ausgelegt. Anhand dieses Textes möchte Daetrius vermitteln, dass nicht das irdische, sondern das himmlische Dasein von Bedeutung sei. Auf die Predigt folgt die Biographie August Friedrichs.

Deutung

Brandanus Daetrius tritt in dieser Leichenpredigt vordergründig in seiner Funktion als Seelsorger auf, der den Angehörigen des Verstorbenen Trost zu spenden versucht. Das Leitthema in dieser Predigt ist die Darstellung des verderblichen und sündhaften Diesseits. Weil es den Eltern und insbesondere Elisabeth Juliane offenbar schwer fiel, den Tod ihres Sohnes zu verkraften, schien es dem Hofgeistlichen wichtig zu sein, eine geeignete Metapher zu verwenden, um den Verlust des knapp 19-jährigen Sohnes zu erklären. Diese fand er zunächst in dem Bild der reifen Traube. Damit verbindet Daetrius die zentrale Aussage, dass Gott bestimmt, wann es Zeit sei, die Welt zu verlassen. Dann schlägt er einen Bogen zur kürzlich verstorbenen Stiefgroßmutter Sophia Elisabeth, die angesichts ihres hohen Alters bereit gewesen sei, aus dem Leben zu scheiden. Im Vergleich zu ihr, so Daetrius, scheint es verwunderlich zu sein, dass August Friedrich in seinen jungen Jahren „als eine noch unzeitige und unreiffe Frucht oder Traube müsse abfallen und weggeschnitten werden […]“.Daetrius räumt ein, dass dies den Angehörigen grausam vorkomme, zugleich unterbreitet er aber eine tröstliche Erklärung: Bei dem Prinzen habe es sich um eine „süsse Traube/reif für Gott/ und demselben wolgefällig […]“ gehandelt. Gott habe ihn vor einem sündigen und verderblichen Leben bewahrt und ihn „gerne bald bey sich im Himmel haben wolle[n]/ehe es in und von der bösen Welt abgerissen/verderbet/und zu nichte gemacht werde.“ In seiner Rolle als Mahner betont Daetrius, dass insbesondere Fürstenkinder für das Böse der Welt und ihre Verderblichkeit anfällig seien. Daher sollten sie Gott für ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Leben danken. Daetrius versichert den Angehörigen, dass sich der Verstorbene nun an einem besseren Ort befinde. Im Tod August Friedrichs sieht Daetrius den eigentlichen Trost, denn Gott habe des „Prinzen Seele frühzeitig und balde abgefordert/Da dieselbe Ihm noch wohlgefällig und lieb gewest und ehe Sie durch der Boßheit Verkehrung und falscher Lehre Betrug zur Aufopferung könnte untüchtig gemacht und verderbt werden.“
Der von Daetrius ausgelegte Bibeltext soll einmal mehr verdeutlichen, dass August Friedrich nun in eine bessere Welt übergetreten sei, denn er gehöre zu den „Gerechten“, also denjenigen, die glauben, dass der Sohn Gottes für sie gestorben sei und so die Sünden der Welt hinweggenommen habe. Durch ein bis dahin gottgefälliges Leben werden sie durch ihren Tod erlöst und damit von Gott für ihr Handeln belohnt. Die Seele dieser „Gerechten“ wird als Braut Gottes bezeichnet, die mit ihm einen Bund für die Ewigkeit eingeht, worin die wahre Freude bestehe. In einer äußerst bildhaften Sprache beschreibt Daetrius wie die Seele des Verstorbenen Prinzen in einem „Elias Wagen/einen himmlischen Braut=Wagen mit feurigen Rossen“ mit Freuden in das Reich Gottes auffährt. Das irdische Leben mit all seinen Eitelkeiten und Sünden wird erneut negativ dargestellt. An diesem irdischen Dasein solle nicht allzu sehr festgehalten werden, da die wahre Freude in Gott und dem Leben in seinem Reich liege. Gerade in Zeiten der Trauer soll diese Freude ein Trost für die Menschen sein. Vermeintliche „schwere Trübsalen und harte Unglücks=fälle“, wie der tragische Tod des gefallenen Prinzen, gilt es so zu überwinden. Da August Friedrich zu den „Gerechten“ gezählt wird, kann er sich dieser Freude sicher sein. So war es Gottes Wille, der ihn nach Speyer geführt habe, wo er seiner zunächst nicht tödlich anmutenden Verletzung schließlich doch erlag. Daetrius ist es zudem sehr wichtig, den Angehörigen zu zeigen, dass August Friedrich im Moment seines Todes nicht allein war, sondern dass neben seinem Seelsorger Conrad Willius Gott bei ihm gewesen sei. Zum Trost der Hinterbliebenen legt Daetrius dem Toten folgende Worte in den Mund: „Meine herzliebste Eltern/mein Vater und Mutter/wissen von meiner Noht nicht/und wan Sie es gleich wüsten/können Sie mir nicht helfen/wie gern Sie auch wollten/ GOTT aber ist meine hülffe […].“ Wichtig ist auch die Betonung, dass er im Glauben an Gott „auf so Christ=freudige sanfft=seelige Weise abgefahren“ sei. Mit Conrad Willius habe ihm zudem ein Seelsorger vor Ort zur Seite gestanden, der mit ihm das Glaubensbekenntnis gesprochen habe, so dass auch gewährleistet worden sei, dass der Verwundete im rechten Glauben und Vertrauen auf Gott verstarb, was sowohl Trost für August Friedrich als auch für seine Angehörigen bedeutete.

Biographie

In der Biographie schildert der Autor sehr ausführlich die Ausbildung des jungen Prinzen bei Hofe und stützt sich auf Berichte seiner Lehrer Heinrich Boetius, Johann Sigmund Schulze und Adam Heinrich von der Tanne. Wie schon Cornelia Niekus Moore herausarbeiten konnte, stehen die Intelligenz und der Ehrgeiz, mit dem August Friedrich sein Studium in Straßburg absolvierte sowie das freundliche und höfliche Benehmen des jungen Mannes im Zentrum der Vita, da diese seine besten Charaktereigenschaften darstellten, mit denen er die verschiedensten Personen für sich einzunehmen vermochte. Ebenso wird die Frömmigkeit August Friedrichs in den Mittelpunkt gerückt. Dies kommt vor allem bei der detaillierten Beschreibung der Feier seines letzten Abendmahls mit dem ihm beistehenden Pastor Conrad Willius zum Ausdruck. Derartige Beschreibungen des letzten Moments sind typisch für Leichenpredigten und dienten vor allem dazu, das vorbildliche Verhalten des Verstorbenen im Angesicht des Todes zu schildern und für die Nachwelt festzuhalten. Zum einen sollte dieser Teil der Predigt den Angehörigen sowie den zahlreichen Lesern Trost spenden, zum anderen bei der Vorbereitung auf das eigene Sterben behilflich sein. In diesem speziellen Fall kam das Anliegen hinzu, der Nachwelt zu vermitteln, dass der Prinz zwar sehr jung verstorben war, aber dennoch das Seelenheil durch sein frommes Handeln und Wirken erreichen konnte.

Fazit

Daetrius geht äußerst sensibel mit dem Tod des jungen Fürsten um, was sich bereits an einer ausführlichen und persönlichen „Zuschrift“ zeigt, die an die Eltern des verstorbenen Prinzen und an seine Verlobte Sophie Dorothea gerichtet ist. Daetrius selbst schien der Tod des Prinzen ebenfalls nahe gegangen zu sein. So bezeichnet er die Predigt als „nimmer verhofften Leich=und Trauersemon“, der ihn zu einem „schmerzlich mit=leidtragenden und klagenden“ macht, der er am liebsten nicht sein würde. Auch scheint er sich angesichts des sehr jungen Verstorbenen, seiner eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden und bezeichnet sich im Alter von 81 Jahren als „schwachwerdend“.
Vordergründig tritt Daetrius in dieser Predigt als Seelsorger auf, der in erster Linie versucht, die Familie des Verstorbenen zu trösten und ihr Beistand zu leisten. Die bisherige Forschung konnte anhand ihrer überlieferten Tagebucheinträge feststellen, dass besonders Elisabeth Juliane unter dem Tod ihres erstgeborenen Sohnes litt. Die Freude auf das Wiedersehen mit dem Verstorbenen sowie den anderen verstorbenen Kindern im Himmelreich Gottes steht neben der Darstellung der Welt als wahrer Sündenpfuhl im Fokus dieser Predigt. Bei aller vorherrschenden Trauer versucht Daetrius doch, die Trost spendenden Seiten des Todes herauszustellen, um den Verlust zu mindern und den Angehörigen eine Stütze zu sein.
Doch auch der Mahner Daetrius kommt deutlich zum Vorschein. So betont er, dass auch die Kinder der Hohen und Mächtigen nicht vor einem Leben in Sünde und Verderblichkeit geschützt seien und ein früher Tod daher durchaus von Vorteil sein könne. Diese Rolle des Mahners nimmt Daetrius offenbar überaus ernst, da er auch in anderen Predigten stets auf die Anfälligkeit der Obrigkeiten für die Sünden aufmerksam macht, sie dafür kritisiert und so an ihre eigentlichen Aufgaben im Dienste Gottes erinnern möchte.

 



Daetrius, Brandanus: Him[m]lische Hochzeit-Freude und Ehren-Schmuck Einer Gläubigen mit Gott verlobten Seele : Aus der freudigen Bekäntniß und Lob-Rede der Christlichen Kirchen Beym Propheten Jesaia cap. LXI, V. 10. Ich freue mich im Herrn/ … Als Der … Herr August Friedrich/ Herzog zu Braunschweig und Lüneburg/ [et]c. Bey Dero Käyserl. Majest. Armee hochbestalter Obrister zu Fuß/ … vor der Vestung Philips-Burg den IX. Augusti von einer … Kugel-Wunde/ den XXIIsten selbigen Monats in … Speyer/ … verschieden/ und dessen entseelter Fürstl. Leichnam nachgehends den VI. Octobris abgewichenen 1676sten Jahrs/ in das Fürstl. Erb-Begräbnis zu Wolfenbüttel … beygesetzet worden / Bey hoher Leidtragenden und Volckreicher algemeinen Traur-Versamlung In einem Christlichen Leich-Sermon erklaret und vorgetragen Von Brandano Dætrio, S. Th. D. Fürstl. Br. Lüneb. Ober-Hof-Prediger daselbsten/ und Abten des Closters Riddagshausen, Wolfenbüttel: Weiss, 1677. 96 S.
Digitalisat (5. November 2014)

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