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Sophie Elisabeth, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (HAB, PS A 2746)

Leichenpredigt auf Herzogin Sophia Elisabeth

Einführung | Biographie Daetrius | Analyse 1 | Analyse 2 | Analyse 3

 

Kurzbiographie

Sophia Elisabeth (1613–1676) wurde am 20. August 1613 als älteste Tochter des Herzogs Albrecht II. von Mecklenburg-Güstrow und dessen erster Frau Margarete Elisabeth von Mecklenburg (1584–1616) geboren. Die Jugend Sophia Elisabeths war geprägt von der Vertreibung ihrer Familie aus Güstrow während des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1629. Zuflucht fand die zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Sophia Elisabeth zusammen mit ihrer Schwester am landgräflichen Hof von Moritz dem Gelehrten von Hessen-Kassel (1572–1632), dessen Tochter Elisabeth (1596–1625) die zweite Frau Herzog Albrechts wurde. Zu Beginn der 30er Jahre konnte die Familie schließlich in das Herzogtum zurückkehren. 1635 heiratete Sophia Elisabeth Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Am Wolfenbütteler Hof vertiefte sie ihre Kenntnisse der Wissenschaften, Sprachen und insbesondere der Musik. Sie wurde Schülerin des Hofmusikers Heinrich Schütz (1585–1672). Ihr musikalisches Wirken stellt dabei in der Tat eine Besonderheit dar, da sie eine der wenigen Fürstinnen war, die sich vor dem 18. Jahrhundert als Komponistin und Musikerin einen Namen machte. Neben Festspielen, Maskeraden und Balletten komponierte die Herzogin vor allem in späteren Jahren geistliche Lieder. Außerdem tat sie sich als Übersetzerin französischer Texte hervor und verfasste zahlreiche geistliche Gedichte. Für ihre Leistungen erntete die Herzogin bereits zu Lebzeiten viel Bewunderung und Anerkennung.
Einen maßgeblichen Einfluss auf ihre musikalische und sprachliche Entwicklung sollten die beiden späteren Ehefrauen ihres Vaters, Elisabeth von Hessen-Kassel und Eleonore Maria von Anhalt-Bernburg (1600–1657) haben. Seit den 1630er Jahren war die Prinzessin Mitglied in den Damensozietäten der Noble Académie des Loyales und der Tugendlichen Gesellschaft, deren Hauptanliegen die Pflege der Musik- und Dichtkunst sowie das tugend- und vorbildhafte Verhalten im christlichen Sinne war. Die 1619 gegründete Tugendliche Gesellschaft kann dabei als weibliches Pendant zur zwei Jahre älteren Fruchtbringenden Gesellschaft angesehen werden. Sie nahm insgesamt 26 Frauen des Hochadels auf. Auch die beiden Stiefmütter von Sophia Elisabeth waren dort Mitglied. Zudem war die Herzogin durch ihren Ehemann inoffizielles Mitglied in der Fruchtbringenden Gesellschaft. Nach dem Tode ihres Mannes im Jahr 1666 verbrachte sie ihren Lebensabend auf dem Witwensitz in Lüchow, wo sie am 2. Juli 1676 verstarb.

Die Leichenpredigt

Die Leichenpredigt auf die verwitwete Herzogin Sophia Elisabeth wurde am 5. Oktober 1676 von Oberhofprediger Brandanus Daetrius in Wolfenbüttel gehalten. Seine Predigt beginnt Daetrius mit einer Vorrede, in der er kurz auf die Verstorbene in ihrer Rolle als Landesmutter eingeht und sich an die Trauergemeinde wendet. Ferner benennt er den auszulegenden Bibeltext, der aus den ersten sieben Versen des 34. Psalms aus der Psalmendichtung Davids stammt. Sie beziehen sich auf David, der verspricht, den Herrn allzeit zu loben, zu danken und seinen Namen zu rühmen. Daetrius legt die Predigt in drei Teilen aus. Der erste Teil thematisiert den Anlass der Dankeslieder: Während Davids Flucht vor Saul gerät er in Gefahr, vermag sich aber durch Verstellung zu retten. Daraufhin verspricht David immerwährenden Dank an Gott. Im zweiten Teil behandelt Daetrius die Art und Weise wie David Gott lobt, nämlich stets in öffentlichen Versammlungen. Um seinem Dank besonderen Ausdruck zu verleihen, komponiert er Lieder und lässt sie mit Gesangsmeistern und verschiedenen Instrumenten, wie der Harfe, anstimmen und begleiten. Der dritte Teil der Predigt greift die anfangs geschilderte Notlage Davids erneut auf und bekräftigt, dass sich David ohne die Hilfe Gottes niemals aus seiner misslichen Lage hätte befreien können, was ihn auf Ewigkeit zu Lob und Dank gegenüber Gott verpflichte. Im Anschluss an die Auslegung folgt die Biographie der Herzogin.

Interpretation

Am Beispiel Davids verdeutlicht Daetrius, dass ein jeder Christ Gott loben und danken solle, denn „wer einen Menschlichen Leib und Seele von seinem Gott und Schöpffer bekommen/Der ist schuldig und verpflichtet seinem Gotte dafür zu dancken/so lange ein Odem in ihm ist.“ Wichtig ist dabei, dass die Danksagung ernst gemeint ist und nicht nur ein „Wort=oder Mund und Zungenlob sey/sondern daß es auch zuforderst ein herzen und Seelen=Lob sey“. Ferner mahnt er, Gott immer zu danken, egal in welcher Lebenssituation man sich gerade befindet.
Daetrius bezieht sich in seiner theologischen Ausdeutung anschließend konkret auf Sophia Elisabeth, die er mit David, dem großen Psalmendichter des Alten Testaments, vergleicht. Als Ausdruck ihres Gotteslobs hebt er vor allem ihre kompositorischen Fähigkeiten hervor, die „genugsam nicht nur bey uns in hiesigen Landen/sondern auch anderswoweit überall längst bekannt worden/ und rühmlich erschollen/ wie Dieselbe in dem Lobe Gottes Sich geübet und embsig erwiesen. So komponierte sie passend zur zentralen Bibelgestalt der Leichenpredigt unter anderem das „ChristFürstlicheDavidsHarpfen-Spiel zum Spiegel und Fürbilde […] Ihrer Christ=Fürstlichen zu Gottes Lobe gerichtete[n] Andacht “, welches von Daetrius erwähnt wird.
Ein besonderes und elementares Merkmal Davids ist die Harfe. Vermutlich während seiner Zeit als Hirte erlernte er dieses Instrument, durch dessen Spiel er später König Saul von einem bösen Geist befreit haben soll (1. Sam 16, 14–23). Neben dem Harfenspiel werden in der Bibel zudem seine gesanglichen und dichterischen Fähigkeiten gewürdigt. König David galt als Idealbild eines Herrschers, der neben seinem politischen Geschick sämtliche künstlerische Eigenschaften in sich vereint. In dieser Tradition sieht Daetrius auch die Herzogin Sophia Elisabeth. In der Forschung wurde wiederholt konstatiert, dass Daetrius‘ Lob auf die Fürstin deutlich über das allgemeine Herrscherlob in Leichenpredigten hinausgeht. Dabei erwähnt der Autor lediglich die geistlichen Lieder und Kompositionen, die ihre intensive Frömmigkeitspraxis veranschaulichen sollen. Unerwähnt bleiben in diesem Zusammenhang ebenso die Mitgliedschaften der Herzogin in der „Noble Académie des Loyales“ und der „Tugendlichen Gesellschaft“ wie ihre Tätigkeit als Übersetzerin weltlicher Werke und als Komponistin von Festspielen und Balletten. Dies könnte daran liegen, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht angebracht war, die Mitgliedschaft adeliger Damen in derartigen Sozietäten positiv hervorzuheben. Für adelige Frauen galt es ferner als unschicklich, Werke unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen, weshalb sie häufig ein Pseudonym verwendeten. Auch Sophia Elisabeth veröffentlichte ihre Lieder und Werke unter dem Pseudonym „von einer HochFürstlichen FrauenPerson“.
Während Daetrius in seiner Leichenpredigt auf den Ehegatten Herzog August diesen gegen seine Kritiker verteidigen musste, kann er hier voller Stolz über die Werke der Herzogin berichten, für die sie auch in anderen Territorien des Reiches geschätzt und bewundert wurde. In gewisser Weise stilisiert er damit Sophia Elisabeth zur kulturellen Repräsentantin des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel.

Im zweiten Teil der Predigt betont Daetrius die Wichtigkeit des Gotteslobes in Kirche und Gemeinde. Das Lob soll in der Öffentlichkeit und für jedermann sichtbar praktiziert werden, so wie es einst David vor seinem Volke getan habe. Damit hebt er vor allem die Bedeutung der Kirche als Haus Gottes und den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde hervor. Sophia Elisabeth wird auch hier von Daetrius zum Vorbild stilisiert, da sie „nach Davids Exempel nebenst Ihrer privat=Andacht und alsteter übung im Lobe Gottes/denen algemeinen Kirchen Versammlungen/so wohl in hiesiger Stadt=Kirchen als bey Fürstl. Hofe Statt/Sich nicht entzogen/sondern nebenst Ihrem hoch=geliebten Ehe=Gemahl an allen heiligen Herrn und anderen Feyer=und Festtagen vor=und nach/mittags mit erschienen […]“ sei. Bis zu ihrem Lebensende und vor allem in ihrer Zeit als Witwe habe sie regelmäßig an den Gottesdiensten teilgenommen, was von Daetrius wiederum als Ausdruck ihrer starken Frömmigkeit gewertet wird. Der Aspekt der Frömmigkeit im Witwenstand ist ein Topos und kommt sehr häufig in Leichenpredigten auf Witwen vor, da es den Theologen darum ging, das Bild einer idealen Witwe zu konstruieren. Vordergründig zeigt Daetrius in diesem Teil indes, wie wichtig es ist, Gott seinen Dank innerhalb der Kirche und der Gemeinde auszusprechen. Sophia Elisabeth dient hierbei als Beispiel und Vorbild für die Gemeinde und die Untertanen.

Zum Abschluss seiner theologischen Ausdeutung thematisiert Daetrius die Ängste und Nöte, die ein jeder Mensch unabhängig von seinem Stand im Laufe des Lebens auszustehen habe. Er unterscheidet dabei nicht zwischen den Armen und Mächtigen, im Gegenteil: Gerade am Beispiel König Davids kann er veranschaulichen, dass „je mehr er empor gebracht und erhöhet worden aus niedrigem Stande/je mehr Widerwärtigkeit/Neid/Sorge/Angst und Todes=Gefahr“ sei über ihn gekommen. Nicht nur während seines Aufenthaltes in Gat, auch später sei er von Ängsten und Sorgen geplagt gewesen, weswegen er Gott in seinen Gebeten um Hilfe gebeten und diese auch erhalten habe. Daetrius spart in seinen weiteren Ausführungen nicht an Kritik gegenüber den Obrigkeiten, die sehr hart für ihr sündiges Handeln bestraft werden können. „Es schweben die hohen und Grossen in grösser Gefahr auch deßwegen/weil Sie zur Sünde/Unrecht/und Böses zu thun/mehr anlaß haben/und Satan Ihnen heftiger nachstellet/und sonderbare Stricke zulegen sich bemühet“ (Buch der Weisheit Kap. 6, 6–9).“ Daher sei es umso wichtiger, sich zu Gott zu bekennen und sich an ihn zu wenden, so wie es auch David getan habe. Daetrius tritt hier in seiner Funktion als Mahner auf, der die Obrigkeiten daran erinnern soll, dass auch sie, obwohl von Gott eingesetzt, nicht vor dessen Strafe geschützt seien.
Daetrius bezieht sich am Ende seiner Ausdeutung auf Sophia Elisabeth und führt an, dass auch sie „durch das hohe herkommen hoch=fürstliche und königliche Anstammen /von dem mancherley Elende und Jammer dieses Lebens nicht Exempt noch befreyet sey.“ Damit meint er explizit die Vertreibung ihrer Familie aus dem Herzogtum Güstrow während des Dreißigjährigen Krieges, die er als „eine nicht geringe Creuz=Last und sehr unglückshafften Zustand“ bezeichnet. Auch während ihrer Ehe habe die Herzogin zahlreiche Unglücks- und Trauerfälle erleiden müssen, zu denen vor allem der Tod ihres eigenen Mannes, Herzog August d. J. 1666, zählt. Doch sie habe den „erquickenden Seelentrost nach Davids Exempel gesuchet und gefunden bey dem Herrn“.

Biographie

Im biographischen Teil werden noch einmal die wichtigsten Ereignisse im Leben der verstorbenen Herzogin aufgegriffen. Mehr noch als im theologischen Teil der Predigt werden die Intelligenz und die Begabung Sophia Elisabeths als viel beachtete Komponistin in den Fokus gerückt. Die Betonung liegt deutlich auf den geistlichen Werken, wohingegen die weltlichen Kompositionen gänzlich vernachlässigt werden. Ihre Mitgliedschaften in den oben genannten adeligen Damensozietäten finden ebenfalls keine Erwähnung.
Wie schon in den theologischen Ausführungen, ist erneut von der Frömmigkeit, aber auch der Mildtätigkeit der Herzogin die Rede. Ihr vorbildliches Verhalten im Witwenstand wird hervorgehoben. Als Witwe zeichnete sich Sophia Elisabeth demnach dadurch aus, armen und bedürftigen Menschen geholfen zu haben, indem sie unter anderem Almosen und Medikamente verteilen ließ. Ziel der Biographie war es, auch hier die Verstorbene als ein tugendhaftes und christliches Vorbild darzustellen, die ihren typischen Aufgaben und Pflichten als Landesmutter aufs Beste nachkam.
Über eventuelle politische Aktivitäten der Herzogin geht nur wenig aus den Daetrius‘ Ausführungen hervor. Es wird lediglich erwähnt, dass ihre „Fürstliche Hand und Vermittlung niemals versaget“, sie „bey aller Vorfallenheit/Das Gute kräftigst befordern/und das Böse eiferichst verhindern helfen“ wollte.

Fazit

Brandanus Daetrius setzt Sophia Elisabeth mit David, dem großen Psalmendichter des Alten Testaments, gleich. Damit hebt er besonders ihre einzigartigen musikalischen Leistungen hervor. Er geht weit über die übliche Darstellung der Vorbildfunktion einer Fürstin hinaus, denn gemeinhin zeichnet sich die Tugendhaftigkeit einer verwitweten Regentin allein durch den regelmäßigen Kirchgang und einen festen Glauben aus. Er berichtet voller Stolz darüber, dass die Gattin Augusts des Jüngeren über die Grenzen Braunschweig-Wolfenbüttels hinaus für ihre Kompositionen bekannt gewesen sei und auf diese Weise den Hof nach außen hin repräsentiert habe.

 



Daetrius, Brandanus, Königes Davids Hertzens-Lust und Liebe zum steten Lobe Gottes/ Aus dem Anfange seines XXXIVsten Psalms biß zum 8. vers. …, Wolffenbüttel : Weiß, [1677]
Digitalisat (5. November 2014)