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Handschriftliches Schreiben Finens vom 5. März 1710

Finens Kritik an den Konversionsplänen des Herzogs Anton Ulrich (1710)

Im Geheimen 1709, öffentlich dann am 11. April 1710 in der Schlosskirche zu Bamberg vor dem Kurfürsten von Mainz, gab Herzog Anton Ulrich (1633-1714) – seit 1704 alleiniger Regent des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel – seinen lutherischen Glauben auf und nahm die katholische Religion an. Bereits 1707 hatte der Herzog die Konversion seiner nicht ganz 16jährigen Enkelin Elisabeth Christine (1691-1750) initiiert, die am 1. Mai desselben Jahres auf ihrer Reise nach Wien ebenfalls im Dom zu Bamberg zum katholischen Glauben übertrat.

Hintergrund für die Konversion der Prinzessin war – so der Stand der Forschung – die bevorstehende Vermählung Elisabeth Christines mit dem katholischen Habsburger Kaisersohn Karl, dem seinerzeitigen König von Spanien und nachmaligen Kaiser Karl VI., eine Verbindung, auf die Anton Ulrich schon seit 1705 hingearbeitet hatte und von der er sich nachhaltige politische Vorteile erhoffte.

Weniger eindeutig ist die Antwort auf die Frage nach den Gründen des Religionswechsels des Herzogs selbst. Auch hier werden in der Literatur politische Gründe ins Feld geführt. Doch erlauben die Quellen bei genauer Lektüre eine andere Erklärung. Sie lassen es zumindest als durchaus prüfenswert erscheinen, dass es vor allem religiöse Gründe waren, die Anton Ulrich zu seinem Schritt veranlasst haben. Dafür sprechen vor allem Äußerungen des Fürsten selbst, in denen er sich gegen Vorhaltungen seiner engsten familiären und politischen Umgebung verwahrte, dass sein Glaubenswechsel politisch motiviert gewesen sei. Vielmehr seien es ausschließlich seine persönlichen Umstände und sein Gewissen, die ihn diesen Schritt hätten ergreifen lassen.

Sind die wahren Beweggründe der herzoglichen Konversion somit bisher nicht eindeutig zu klären, ist die Kritik seines Hofpredigers Eberhard Finen in einem Schreiben vom 5. März 1710 – verfasst unmittelbar vor Anton Ulrichs öffentlichen Konversion in Bamberg – klar formuliert.

Er könne kaum glauben – so Finen – was umlaufende Gerüchte kolportierten. In seinen Augen sei es unvorstellbar, dass, wie behauptet, der bisher so gütige Fürst Anton Ulrich an einem römisch-katholischen Ort reisen würde, in Finens Augen „ein höchst gefehrliches desein“. Ohne es explizit zu formulieren ist hierin zweifellos die Befürchtung einer Konversion des Herzogs zum Katholizismus angesprochen. Mit einem solchen Schritt aber, so Finen weiter, würde Anton Ulrich seine Untertanen, die dem katholischen Glauben äußerst ablehnend gegenüber standen, „bis auff den todt“ kränken.

Auch die Tatsache, dass der Herzog Finen zu seinem Beichtvater auserwählt hatte, lässt den Hofprediger an den Konversionsplänen Anton Ulrichs zweifeln, hatte dieser doch bei der Ernennung Finens die Hoffnung geäußert, jener möge der letzte in dieser Funktion sein – was bei einem Konfessionswechsel natürlich nicht möglich wäre, da dieser notwendigerweise die Berufung eines katholischen Beichtvaters hätte nach sich ziehen müssen. Des Weiteren habe Anton Ulrich mehrfach verfügt, dass weder er noch der Kronprinz jemals katholisch werden dürften. Die Vorstellung des Konfessionsübertritts erfüllt Finen derartig mit Widerwillen, dass er das Wort „katholisch“ nicht zu Papier bringen mag; stattdessen lässt er an dessen Stelle eine Lücke, an dem Sinn der Passage kann aber keinerlei Zweifel bestehen.

Darüber hinaus sehe er nicht – so Finen weiter – was der Herzog politisch durch den Glaubenswechsel gewinnen könnte. Weder Kaiser noch Papst hätten etwas zu bieten, was den öffentlichen Ansehensverlust und die Gewissensqualen sowie die Seelengefährdung des Fürsten kompensieren könnte. Auch ein Vergleich mit der Konversion Elisabeth Christines könne den geplanten Schritt des Herzogs nicht rechtfertigen. Denn der Glaubenswechsel der Prinzessin erfolgte auf einen höheren Rat – gemeint ist zweifellos der Wunsch des Herzogs und seiner Entourage nach der Konversion und den damit erhofften politischen Vorteilen – und war eine Folge der „Göttl[ichen] providence“. Davon könne im Fall Anton Ulrichs nicht die Rede sein, weder könne er sich auf irgendjemand anderen berufen, der zur Konversion geraten habe, und göttliche Vorsehung sei bei dem geplanten Schritt nicht zu erkennen.

Anschließend bringt der Hofprediger vor, dass viele formal dem Katholizismus Verpflichtete sich innerlich über ihre Religion mokierten und im Grunde lieber gar nichts „alß allen tant der Pfaffen“ glaubten. Eine solche Heuchelei traut Finen seinem Herzog nicht zu, und so gibt er seiner Hoffnung Ausdruck, dass Anton Ulrich alle diejenigen widerlegen werde, die an eine Konversion glaubten.

Für seine Person hofft Finen, dass seine Kritik ihm nicht zum Nachteil gereichen werde. Er müsse sich aber in dieser Form äußern, um seine Seele und sein Gewissen zu retten. Hier finden wir den gleichen Begründungszusammenhang, wie er bei den Protesten der Hofgeistlichkeit gegen den Glaubenswechsel Elisabeth Christines zu beobachten war. Offensichtlich prägte die Verpflichtung gegenüber der lutherischen Konfession das Amtsverständnis derartig stark, dass die Prediger bereit waren, den Verlust der herzoglichen Gnade in Kauf zu nehmen; eine Gefahr, die durchaus real war, wie die Entlassung Johannes Niekamps und Albrecht Fiedler Knopffs im Jahr 1705 zeigt.

Nachweis: Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 1 Alt. 22, Nr. 300, fol. 39r-v.

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Handschriftliches Schreiben Finens vom 5. März 1710

Nachweis: Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 1 Alt. 22, Nr. 300, fol. 39r-v.